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Hecken verweigert gegen Stimmrecht im G-BA

Josef Hecken verweigert Pflegenden Stimmrecht im Gemeinsamen Bundesausschuss

Auf dem Gesundheitskongress des Westens am 03.05.2022 zeigte der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), dem höchsten Gremium des Gesundheitswesens, Professor Josef Hecken, offen, welche Meinung er zu einer Mitwirkung der Gesundheitsberufe im G-BA vertritt.

Vor rund 1.000 Kongress-Teilnehmenden forderte er zuerst noch relativ moderat „Reform ja, aber behutsam“, um dann im weiteren Verlauf seiner Ausführungen die Pflege- und Therapieberufe zu diskreditieren. So könne man Einzelnen ein Mitberatungsrecht einräumen, was der Pflegerat bereits heute schon hat. Dies dürfe aber nicht zu einem Stimmrecht führen, der G-BA laufe dann nämlich Gefahr, zu „einer Art Schülermitverwaltung zu verkommen“, so Hecken.

Genau dieses Stimmrecht ist es jedoch, das der professionellen Pflege zusteht. Nur so kann sie Gesundheitspolitik mitgestalten.

Die Pflege in Deutschland ist als solitärer Leistungserbringer mit einem erheblichen Erbringungsvolumen, das sich nicht hinter dem des medizinischem Sektor verstecken muss, im G-BA nicht stimmberechtigt. Das ist nicht nur ungerecht. Es zeigt die systematische Unterdrückung der Pflege in Deutschland. Nun, da der Gesetzgeber, initiiert durch die Ampelkoalition, die Profession Pflege im G-BA besser positionieren und ihr mehr Rechte zuteilen möchte, zeigt sich dass der Vorsitzende Josef Hecken dem Anspruch an Neutralität, den seine Position vorschreibt nicht gerecht wird. Mehr noch er ergreift bewusst aktiv Partei gegen die Pflegenden.   Josef Hecken ist auf dieser Grundlage nicht mehr als Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschuss tragbar. Völlig inakzeptabel sei für ihn die Aussicht auf die Arbeit des G-BA unter Mitwirkung der Gesundheitsberufe, „wir können nicht zum Zirkus Krone werden“. Wieder einmal wird mehr als deutlich, welche Meinung Entscheidungsträger von der Profession Pflege und damit von vielen Tausend Kolleginnen und Kollegen haben.

Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), bewertet Heckens Aussagen ganz richtig als diskriminierend und herabsetzend. Der Gemeinsame Bundesausschuss besteht zur Zeit aus dreizehn stimmberechtigten Mitgliedern. Davon paritätisch aus je fünf Mitgliedern der Leistungsfinanzierer und fünf Mitgliedern der Leistungserbringer. Zusätzlich drei weitere in diesem Kontext unparteiische Mitglieder, welche auch den oder die Vorsitzende*n stellen.
Dass die Pflege hier nicht vertreten ist, ist schlicht inakzeptabel.
Der BochumerBund kritisiert die Aussagen von Josef Hecken deshalb scharf. Die Pflegenden bilden die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen in Deutschland. Ihre Interessen und Standpunkte sind mehr wert als sie nur vortragen zu dürfen. Sie müssen einfließen, um eine zukunftsfähige, nachhaltig hochwertige Gesundheitsversorgung gestalten zu können. Das ist logisch und angemessen.
Der BochumerBund fordert deshalb eine Integration des DPR im G-BA, welche ein Stimm- und Antragsrecht beinhalten muss. Sie ist als Bereicherung zu werten, nicht als „Verwässerung“. Wir erwarten eine Begegnung auf Augenhöhe, was einschließt, dass mit AkteurInnen der Profession Pflege gesprochen wird – nicht über sie, noch dazu in dieser despektierlichen Weise, wie es durch den Vorsitzenden des G-BA Josef Hecken geschehen ist.

Kein Arbeitseinsatz von Covid-19-Infizierten!

Malu Dreyer kündigt Einsatz von erkrankten Pflegekräften im Krankenhaus an.

23.12.2021 Am gestrigen Mittwoch ließ die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer in einer Pressekonferenz zu den neuen Corona-Verordnungen in ihrem Bundesland verlauten, dass künftig auch Pflegekräfte eingesetzt werden sollen, die am Corona-Virus erkrankt sind.

„Wie schaffen wir es, dass die kritische Infrastruktur sichergestellt werden kann, wenn viele Menschen erkranken?“ fragt die Politikerin suggestiv das Publikum. Die ebenso erwartbare, so wie auch falsche Antwort, liefert sie gleich im Nachsatz. Das Personal mit leichtem Verlauf müsse eben weiterarbeiten. Natürlich mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen. Sie bezieht sich dabei auf „die kritische Infrastruktur bei der Polizei, der Feuerwehr und in Krankenhäusern.“ Dass die Pflege hier keine explizite Erwähnung findet und gleichzeitig mit Polizei und Feuerwehr auf eine Ebene gestellt wird, zeugt von großem rhetorischem Kalkül.

Natürlich wird diese Regelung in erster Linie die 1,8 Millionen Pflegekräfte in Deutschland betreffen, die ihre Arbeit täglich eng am Menschen verrichten. Dies liegt nicht nur an der Arbeit selbst, sondern auch an der Größe der Berufsgruppe. Die Polizei zählt bundesweit 333.600, die Berufsfeuerwehr lediglich rund 66.000 Personen (Beide Angaben laut Statista).

Schon vor Beginn der Corona-Pandemie war der Personalnotstand in der Pflege bekannt. Seit Beginn der Pandemie hat sich die Lage weiter dramatisch verschärft. Der massive Anstieg von Berufsaussteigern und psychischen Erkrankungen unter Pflegenden sind durch zahlreiche Studien erforscht und dokumentiert. Die immer schlechtere Versorgung der PatientInnen in den Krankenhäusern, Heimen und in der Häuslichkeit sind seit Jahren beobachtbar. Die korrekte Versorgung der PatientInnen beim Examen der Krankenpflege ist längst nur noch ein Schauspiel, das die AbsolventInnen einmalig in ihrer Berufsausbildung absolvieren können.

Dass Pflegekräfte nun noch drastischer ihre Gesundheit aufs Spiel setzen sollen, setzt auf deren scheinbar grenzenlose Bereitschaft, sich selbst für die PatientInnen aufzuopfern. Dass PolitikerInnen von einer gemeinsamen Aufgabe sprechen, die wir zu bewältigen hätten, ist blanker Hohn.

Noch immer keine drastische Steigerung der Gehälter, kein Personalmindestschlüssel, keine massiven Anreize eine Ausbildung zu beginnen.

Die einzige Möglichkeit, die Pflege nun zu schützen, besteht darin, die Betten zu sperren, die auf Grund von mangelndem Personal nicht mehr belegt werden können. Natürlich würde das die Versäumnisse im Pflegesektor in den letzten Jahren offen legen, doch wenn hier von einer gemeinsamen Aufgabe gesprochen wird, ist es an der Zeit Fehler einzuräumen.

Bericht von der Vollversammlung

Am 04.12.21 hielt der BochumerBund seine diesjährige digitale Vollversammlung ab.
Die drei wichtigsten Tagesordnungspunkte setzten sich aus der Nachwahl des Bundesvorstands, der Abstimmung über eine neue Satzung und eine thematische Schwerpunktsetzung für das Jahr 2022 zusammen.
Im Bundesvorstand wurden bei Nachwahlen 5 Positionen neu besetzt.

  1. Stellvertretende Bundesvorsitzende: Jana Gromzick, Pflegefachfrau, (31 Jahre, Saarbrücken)
  2. Finanzvorstand: Dirk Malskorn, Altenpfleger (48 Jahre, Oldenburg)
  3. Beisitzerin: Marianna Kazanzew, Gesundheits- und Krankenpflegerin (34, Merzenich)
  4. Beisitzer: Stefan Krotz, Gesundheits- und Krankenpfleger (46, Bonn )
  5. Beisitzer: Uwe Müller, Gesundheits- und Krankenpfleger (32, Wasserburg/Inn)

Die wohl wichtigste Entscheidung dieser Vollversammlung wurde im Rahmen der neuen Satzung getroffen. Eine Mehrheit der online Anwesenden sprach sich dafür aus, künftig auch ungelernte Pflegehilfskräfte als Mitglieder im BochumerBund organisieren zu wollen.
Ungelernte ArbeitnehmerInnen machen einen großen Teil in der stationären Langzeitversorgung aus und können somit jetzt auch auf die Unterstützung des BochumerBund als Pflegegewerkschaft bauen.

Die beiden Vorsitzenden Heide Schneider und Benjamin Jäger, ließen das Jahr 2021 Revue passieren, zogen ein Résumé und stellten die neuen Pläne für das kommende Jahr 2022 vor.

Als wichtige Weichenstellungen für 2022 soll die Gründung von Landes- und Regionalverbänden stehen, sowie eine solide Streikkasse. Außerdem soll ein massiver Mitgliederzuwachs im Fokus stehen, so die beiden Vorstandsvorsitzenden.

Die Vollversammlung hat ebenfalls über die thematischen Schwerpunkte der kommenden 12 Monate abgestimmt. Durch die Festlegung von 10 Positionspapieren wird der BochumerBund in Zukunft seine Themenschwerpunkte auf u.a. folgende Punkte legen:

  • Anstreben eines höheren Personalschlüssels (Nurse-Patient-Ratio) mit einer Mindest- statt Sollbesetzung
  • Pflege darf nicht weiter wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden
  • Wir brauchen einen bundesweiten Tarifvertrag für alle Pflegeberufe.

In diesem Sinne will der BochumetBund heute und in Zukunft gemeinsam, mit ALLEN KollegInnen der beruflichen Pflege, einen Weg gestalten, der Pflege als zukunftsorientiert, lebenswert, wertschätzend und langfristig werden lässt.

Wir sind entschlossen, mit Solidarität und Beharrlichkeit von vielen engagierten KollegInnen dieses Projekt zum Erfolg zu führen!

Das halbherzige Pflege-Reförmchen

BOCHUM. Am 02.06.2021 hat das Bundeskabinett den Gesetzesplänen von Bundesgesundheitsminister Spahn zur besseren Bezahlung von Altenpflegekräften den Weg geebnet. Ziel dieser Gesetzespläne ist es, die Finanzierung von Pflegeeinrichtungen an eine Tarifpflicht zu binden und so die Vergütung von Pflegenden in Altenpflegeeinrichtungen zu verbessern. 

Dieser blinde Aktionismus kurz vor dem Ende der Amtszeit vergrößert jedoch nur wieder den Flickenteppich, den es schon jetzt bei der Vergütung von Pflegekräften gibt.

Heide Schneider

„Mit dieser Reform will die GroKo ihr Wahlversprechen von 2017, die Pflege zu stärken und zukunftsfähig zu machen, einlösen. Am Ende der Legislaturperiode versucht sie so das sinkende Schiff doch noch mit einem weiteren Flicken zu retten.“ So Heide Schneider, Vorstandsvorsitzende der Pflegegewerkschaft BochumerBund. „Wenn sie einen Flächentarifvertrag schon nicht verwirklichen können, dann doch wenigstens ein kleines Reförmchen. Dieser blinde Aktionismus kurz vor dem Ende der Amtszeit vergrößert jedoch nur wieder den Flickenteppich, den es schon jetzt bei der Vergütung von Pflegekräften gibt.“ Denn laut Kabinett ist die Finanzierung der Einrichtungen nicht unbedingt an einen richtigen Tarifvertrag gebunden, den Arbeitgebende und Gewerkschaften miteinander vereinbaren, nach dem die Pflegeeinrichtungen dann Pflegekräfte bezahlen: Mit der Bezahlung nach kirchenrechtlichen tarifähnlichen Konstrukten oder aber auch nach ortsüblichem Tarif erfüllen Pflegeeinrichtungen ebenfalls die Voraussetzung, um weiterhin durch die Pflegeversicherungen finanziert zu werden. „So wird es weiterhin üblich bleiben, dass eine Pflegekraft in Hamburg weit weniger verdient als eine Pflegekraft in München, obwohl sie die gleichen Tätigkeiten verrichtet.“ , merkt Schneider an. „In Regionen, in denen Pflegekräfte sowieso weniger verdienen, als im Rest der Republik, werden sie weiterhin weniger verdienen, da der ortsübliche Tarif niedriger ist. Daher fordern der BochumerBund ein entsprechendes Lohnniveau und flächendeckende Tarifverträge, die sich nicht an ortsüblichen Niveaus orientieren. Nur so können Pflegende nachhaltig profitieren und in ihrer Arbeit wertgeschätzt werden.“ 

Was das Bundeskabinett jedoch außer Acht gelassen hat: Nicht nur das Gehalt in Pflegeeinrichtungen sollte an feste Bedingungen geknüpft werden. „Pflegende werden fortan nach Tarif oder ortsüblichen Tarifen bezahlt. Was jedoch fehlt, ist eine Regelung hinsichtlich guter Stellenschlüssel in den Einrichtungen. Gute – nicht nur gerade so ausreichende – Stellenschlüssel gekoppelt mit einem sinnvollen Qualifikationsmix müssen ebenfalls verpflichtend werden.“ , betont Schneider. 

Ein weiterer Punkt des Reförmchens ist, dass weitere Modellprojekte zur Heilkundeübertragung durchgeführt werden. Pflegefachkräfte erhielten so mehr Kompetenzen, mit denen in der Ausbildung erlernte Inhalte sinnvoll angewandt werden könnten. Das Wissen der professionell Pflegenden könnte dadurch mehr Wertschätzung erfahren. Gleichzeitig bleibt es jedoch wichtig, dass die überwiegende Zahl an Pflegenden Fachkräften sind. Die Reform darf nicht den Effekt haben mehr, dass mehr schlecht ausgebildetes Personal beschäftigt wird. Diese Entwicklung besteht bereits und wurde zuletzt in einer umfassenden Studie kritisiert, die kürzlich von Gerda Sailer veröffentlicht wurde („Pflege im Fokus – Herausforderungen und Perspektiven – Warum Applaus alleine nicht reicht“). Auch im Hinblick darauf ist ein Pflegepersonalschlüssel unabdingbar, der eine gute Versorgung der Patient*innen ermöglicht. Schon in der 2017 veröffentlichten Studie „Die aktuelle Situation der Station“ bestätigten Zander und Busse Deutschland gemeinsam mit Polen und Spanien das schlechteste Pflegekraft – Patient*innen – Verhältnis Europas. Während in Deutschland durchschnittlich eine Pflegekraft für Zehn (!) Patient*innen zuständig war, waren es in den USA, Kanada oder Norwegen lediglich fünf Patient*innen. Dies verdeutlicht das Ausmaß des Fachkräftemangels deutlich und zeigt dadurch auch die Notwendigkeit einer attraktiveren Ausbildung auf. Es reichen keine kleinen Korrekturen des bestehenden Systems. Die Pflege in Deutschland muss grundlegend neu gedacht werden. Wissenschaftliche Ergebnisse, die den Bedarf aufzeigen und Möglichkeiten zur Verbesserung anbieten sind vorhanden. Es ist an der Politik Veränderungen jetzt umzusetzen, um eventuellen weiteren Pandemien vorzubeugen, aber auch  die standardmäßige medizinische Versorgung einer alternden Gesellschaft zu gewährleisten.

Der BochumerBund fordert deshalb die Pflegenden in allen Bereichen auf, sich nicht mit halbgaren Pflegereformen abspeisen zu lassen und ihre Bedingungen selbst in die Hand zu nehmen. Eine starke Fachgewerkschaft, die einen hohen Organisationsgrad besitzt, kann den Druck auf die Akteur*innen erhöhen und endlich Veränderungen bewirken, die sich auch auf Station, auf dem Wohnbereich oder auf Tour bemerkbar machen. Wir sind gespannt und werden mit Neugier beobachten wie die neue Bundesregierung ab September mit dem Reförmchen umgehen wird, denn umsetzbar wird es bis zum Ende der Legislaturperiode mit Sicherheit nicht mehr.