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Streik in NRW beigelegt. Ein Schritt Richtung Wandel?

Nach 11 Wochen Arbeitskampf ist diesen Dienstag (19.07.22) der Streik an den Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen (NRW) beigelegt worden.

Fast drei Monate haben Beschäftigte aus den 6 Krankenhäusern in Aachen, Bonn, Köln, Düsseldorf, Essen und Münster gestreikt. Eine unfassbare Dauer für die Arbeitsniederlegung im Gesundheitswesen. Viel Beachtung hat der Protest in den Medien dennoch nicht bekommen. Warum so wenige Medien so wenig und erst so spät berichteten, ist den meisten Beteiligten unklar. Klar ist jedoch, dass der Druck, den die Streikenden auf ihre Arbeitgeber ausgeübt haben, enorm war. Mehr als 10.000 Operationen mussten laut Berichten des Bonner Generalanzeigers verschoben werden. Eine Notfallbesetzung wurde dauerhaft gewährleistet. Ein Glück für Klinikbetreibende und Bevölkerung, dass die Pflegenden so umsichtig und verantwortungsbewusst handeln. Die Befürchtung lag jedoch nahe, dass die Schlagkraft des Streiks dadurch geschmälert werden würde. Hat der Druck dennoch ausgereicht, um entscheidende Verbesserungen für die ausblutende Berufsgruppe zu erwirken? Haben die Pflegekräfte Ihr Ziel erreicht?
Fazit: Der geforderte zusätzliche Tarifvertrag mit dem Titel “Entlastung“ wird kommen. Einige Zugeständnisse wurden gemacht. Allerdings wurde um jede Nachkommastelle einer Sollbesetzung hart gefeilscht. Dieses Feilschen in der Personalbemessung macht den Unwillen der Politik besonders deutlich, die Pflege zu stärken. Auch wurde nicht der Schweregrad der PatientInnen als Maßstab angesetzt sondern die Anzahl der belegten Betten. Auch hier wird wieder deutlich, dass es nur um Mengenverwaltung geht und nicht um die beste Patientenversorgung. 

War es überhaupt ein Pflegestreik oder doch wieder ein Streik der Belegschaft, der unter dem Titel Pflegestreik geführt wurde? Denn auch für Angestellte aus Transport, IT oder den klinikinternen KiTas wird es Verbesserungen geben. Das ist ja an sich nichts Schlechtes, hat aber dann nichts mit einem Pflegestreik oder angestrebten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen der Pflegefachpersonen zu tun.

Die zentralen Verbesserungen für die Pflege werden von der Uniklinik Münster mit „besseren Personalschlüsseln, Belastungsausgleich durch freie Tage oder finanzieller Ausgleich, Entlastungstage bei Unterschreiten des Personalschlüssels und mehr persönliche Anleitung der Auszubildenden“ beschrieben. Dies deckt sich weitgehend mit den bescheidenen Forderungen der Streikenden. Allerdings soll all das erst Anfang 2023 kommen. 

Aus Sicht des BochumerBund bedeutet dies, dass die Pflegefachpersonen erst einmal weiter überlastet werden und dann gegen Ende 2023 vielleicht zusätzliche freie Tage bekommen werden. Aber auch diese freien Tage werden wegen des Personalmangels in der Pflege kaum umgesetzt werden können.

Angesichts der laufenden Urlaubssaison und der allseits präsenten, massiven Krankheitsausfälle können sich die Arbeitgeber und Finanziers sicher glücklich schätzen, dass der Streik nun beigelegt wurde und der Normalbetrieb der Krankenhäuser nach und nach wieder aufgenommen werden kann. Leider haben die Pflegefachpersonen aus unserer Sicht kaum etwas gewonnen. Enttäuschend ist außerdem, dass die Landesregierung bereits zu Beginn des Streiks den Austritt der Unikliniken aus dem Arbeitgeberverband des Landes (Adl NRW) herbeigeführt hat. Die marginalen Verbesserungen werden daher nicht alle Krankenhäuser des Landes betreffen, sondern lediglich die Unikliniken.

Es wird insgesamt wieder einmal deutlich, wie sich die Politik mit allen verfügbaren Mitteln gegen Verbesserungen in der Pflege stellt und unterstreicht so selbst die dringende Notwendigkeit von radikalen Arbeitskampfmaßnahmen. Für uns Pflegende kann das nur eine noch stärkere Vernetzung, Zusammenarbeit und Kompromisslosigkeit im Arbeitskampf bedeuten. 

Den Streikenden an den Unikliniken muss ein großes Lob ausgesprochen werden. Den Streik trotz derart mangelhafter Medienpräsenz fortzusetzen, war ein äußerst gutes Zeichen. Allerdings sieht es so aus, als wäre das Entgegenkommen der Arbeitgeber nur als Trostpflaster gedacht und damit eine schnelle Einigung herbeigeführt wird.

Dieser Streik hat uns gezeigt, dass es eine Pflegegewerkschaft braucht, die diesen Namen verdient. Pflege hat Kraft. Pflege kann sich durchsetzen. Mit den Forderungen des BochumerBund nach mindestens 4000€ Einstiegsgehalt plus Zuschläge und Inflationsausgleich ist mehr möglich. Ein höheres Gehalt würde die Pflege nachhaltig stärken und mehr Menschen in den Beruf locken.

Nur wenn alle Pflegenden in einer Gewerkschaft vereint sind, kommt die Politik nicht mehr an uns vorbei.

Wirksamkeit der Streiks endlich erkennbar!

Aufgrund der aktuell desaströsen Lage im deutschen Gesundheitswesen, besonders in der Pflege, regt sich in Nordrhein-Westfalen (NRW) seit einigen Monaten verstärkt Widerstand.

Seit langem beklagt die Pflegebranche einen starken Fachkräftemangel, der sich durch die Corona-Pandemie deutlich dramatisiert hat. Seit Jahren machen Pflegende, Berufsverbände und Gewerkschaften auf die Ausbeutung der Angestellten und Auszubildenden in Krankenhäusern, die unzureichende Bezahlung, die fehlenden Pflegefachkräfte und die dadurch mangelhafte Versorgung der PatientInnen aufmerksam. Wir Pflegenden warten jedoch weiterhin vergeblich auf deutliche Signale seitens der Politik, dass diese Missstände angegangen werden.

Unser Berufsstand braucht seine angebrachte Anerkennung, Bezahlung und Wertschätzung. Die Angestellten der Universitätskliniken in Köln, Bonn, Düsseldorf, Essen, Aachen und Münster haben sich daher im Januar diesen Jahres entschlossen der Politik ein Ultimatum zu stellen, um die Notlage in der Pflegebranche zu beseitigen. Innerhalb dieses Ultimatums sollte ein Tarifvertrag abgeschlossen werden, der die aktuelle Lage entschärft. Die Beschäftigten der sechs Unikliniken haben sich zu der Bewegung “Notruf Entlastung NRW” zusammengetan. Auf der Website der Bewegung heißt es: “Die Beschäftigten der sechs Unikliniken in NRW fordern umgehend eine tarifliche Lösung mittels eines Tarifvertrages, der zu ihrer Entlastung führt. Bis zum 1. Mai 2022 erwarten sie den Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrags. Dieser soll Mindestpersonalausstattungen für alle Bereiche der Unikliniken festlegen und angemessene Belastungsausgleiche bei Unterbesetzung vorsehen.

Neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen geht es auch um die Qualität der Ausbildung. Weil ein solcher Tarifvertrag bisher nicht zustande gekommen, und das Ultimatum ergebnislos verstrichen ist, haben sich die Angestellten am 2. Mai entschieden in einen Erzwingungsstreik zu treten. Mittlerweile hat sich der NRW Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und die dortige Landesregierung zu einem Tarifvertrag bereit erklärt, vorliegen tut dieser allerdings noch nicht. Die Angestellten streiken deshalb weiter, um den Tarifvertrag zügig zu erzwingen.

Der Bochumer Bund begrüßt deshalb die Streiks an den 6 Unikliniken in NRW zum Erreichen eines TV‑E (Tarifvertrag Entlastung). Ein Instrument zur Entlastung der Pflegekräfte ist seit langem überfällig und notwendig. Allerdings ist dies nicht nur in den Unikliniken, sondern in allen Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen der Fall. Der Pflexit und die chronische personelle Unterversorgung sind in den Pflegeberufen nicht dadurch zu beenden, dass Arbeitskampfmaßnahmen im Alleingang umgesetzt werden. Mit einer solchen Vorgehensweise werden wir der gemeinsamen Sache aller Pflegenden nicht gerecht. Wir alle hoffen auf eine Signalwirkung dieses Streiks. Diese ist jedoch nicht abzusehen. Zu befürchten ist vielmehr, dass kleinere Kliniken und Heime nicht nachziehen, sondern sich der Pflexit dort noch verstärkt, weil Angestellte in besser zahlende Kliniken abwandern.

Mit solch einer Gewerkschaftspolitik ist niemandem geholfen. Der nun von der Landesregierung vorgeschlagene Lösungsweg besteht darin, das NRW-Hochschulgesetz dahingehend zu ändern, dass die NRW Unikliniken aus dem „Arbeitgeberverband des Landes Nordrhein-Westfalen“ austreten können. Nach einem Austritt wäre man nicht mehr an die Tarifgemeinschaft gebunden und die einzelnen Einrichtungen könnten direkt mit ver.di verhandeln. Dies wurde ihnen bisher von der „Tarifgemeinschaft deutscher Länder“ untersagt. Es ist zu erwarten, dass ein Tarifvertrag, der ausschließlich für die MitarbeiterInnen der Unikliniken ausgehandelt wird, der Einheit der ArbeitnehmerInnen in der Pflege entgegenwirkt.

Der BochumerBund spricht sich deshalb für flächendeckende Tarifverträge im Gesundheitswesen aus, um eine adäquate Versorgung der PatientInnen überall, und eine angemessene Behandlung und Bezahlung der Pflegekräfte in jeder Einrichtung sicherzustellen. Wir halten es für wichtig, auf Landes- sowie Bundesebene mehr Druck auf die politisch Verantwortlichen auszuüben. Für dieses Ziel sehen wir den Streik als legitimes und sinnvolles Mittel. Die Wirksamkeit der Streiks ist momentan in NRW gut erkennbar und der ausgeübte Druck auf die Politik angemessen.

Zu lange haben wir uns mit leeren Worthülsen und nicht umgesetzten Versprechungen zufrieden gegeben. Es ist Zeit, die im Koalitionsvertrag versprochenen Entlastung der Pflege durch die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PPUGV 2.0) flächendeckend umzusetzen. Es ist Zeit für eine angemessene Bezahlung der Pflegenden.

Es ist Zeit, die Ausbildung qualitativ gut zu gestalten und den Auszubildenden ein Auskommen ohne Unterstützung der Eltern während dieser Zeit zu ermöglichen. Ohne solche Maßnahmen kann eine angemessene Versorgung der PatientInnen nicht sichergestellt werden.

Es zeigt sich, dass wir dazu in den Streik treten müssen. Das müssen wir gemeinsam tun, um uns nicht spalten zu lassen.

Wir Pflegenden sind dann stark, wenn wir gemeinsam agieren.

Niklas Kemper, Guido Raunest und Ingo Schaffenberg

Der Text ist auch hier erschienen: https://www.rechtsdepesche.de/streiks-an-unikliniken-nrw/

Erhöhung des Mindestlohns in der Pflege – zu wenig, zu langsam

15.02.22

Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland vergangene Woche berichtete, sollen ab September diesen Jahres die Mindestlöhne in der Pflegebranche angehoben werden. Dies bedeutet nach langer Zeit mal wieder eine gute Nachricht für die stark belasteten Pflegekräfte in Deutschland. 

Was sich zunächst nach einer Sensationsmeldung, die Hoffnung verbreitet anhört, entpuppt sich jedoch schnell als erneute zahnlose Reform. Im Detail sieht die geplante Erhöhung einen gestaffelten Anstieg der Gehälter vor, die dann bis Ende 2023 ihr Ziel-Level erreichen sollen. Die dann erreichten Mindestlöhne sollen zu diesem Zeitpunkt bei 14,15 € für ungelernte Kräfte (aktuell 12 €), bei 15,25 € für qualifizierte Hilfskräfte (aktuell 12,25 €) und bei 18,25 € für ausgebildete Kräfte (aktuell 15 €) liegen. Dies entspricht einem Brutto-Monatsgehalt von 2925 € für dreijährig ausgebildete Pflegekräfte, die momentan die Krone der Systemrelevanz darstellen und seit über zwei Jahren an vorderster Corona-Front kämpfen. 

Das bedeutet laut Steuerrechner für eine 1982 geborene Vollzeitkraft mit zwei Kindern einen Nettoverdienst von 1953,92 € im Monat. (Falls diejenige in Vollzeit arbeiten sollte.) Es benötigt keine weiteren Rechenbeispiele, um zu erkennen, dass dieser Lohn erstens nicht ausreicht um eine Familie zu ernähren und zweitens nicht die Leistung wertschätzt, welche die Pflegenden immer, und besonders in den letzten zwei Jahren für die Gesellschaft erbringen. 

Dass unausgebildete Kräfte, auf deren Arbeit unser Gesundheitssystem besonders in Wohnheimen und in der Hauskrankenpflege fußt, weiterhin in Armut leben sollen, ist schlicht ein Skandal. Diese Reformen, deren Umsetzung obendrein noch über 1,5 Jahre hinausgezögert wird, als Erfolg zu präsentieren, ist schwer zu ertragen. Eine echte Verbesserung ist nur durch eine deutliche, sofortige Erhöhung aller Gehälter zu erreichen, wie sie beispielsweise vom Deutschen Pflegerat gefordert wurde (4000 € Brutto). 

Das Signal, das hier von der Politik gesendet wird, ist dennoch seit langem mal wieder ein positives und, so bedauerlich es klingt auch nötig. Zu viele Gehälter von Pflegekräften liegen in Deutschland noch heute unter dem angestrebten Mindestlohnniveau.  Es bleibt allerdings zu hoffen, dass sich die Pflegebranche und auch die gesamte Gesellschaft nicht mit derartigen Schönheitskorrekturen abspeisen lässt.

Es gilt eine echte Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Pflegeausbildung (mit angemessenem Einstiegsgehalt), sowie eine deutliche Erhöhung der Löhne vorzunehmen und die Anliegen der 1,8 Millionen Pflegenden endlich ernst zu nehmen. Nur so kann ein noch größerer Schaden am Gesundheitswesen abgewandt werden und die Versorgung von Patientinnen und Patienten auf Dauer sichergestellt werden.

Nein zur Wochenarbeitszeitausweitung

23.01.22

Nachdem vor zwei Wochen bekannt wurde, dass das Arbeitsschutzgesetz in Niedersachsennaufgeweicht wird, soll diese Gesetzesänderung nun auch bundesweit durchgesetzt werden.

Wie an verschiedenen Stellen berichtet, wurde unter anderem die dortige wöchentliche Obergrenze der Arbeitszeit für „die kritische Infrastruktur“ bis April ausgesetzt.

Anstatt die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern und den Beruf attraktiver zu machen, bleibt es also dabei, dass seitens der Politik auf kurzfristige „Lösungen“ gesetzt wird. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob die noch verbleibenden Pflegekräfte bis an die Grenzen und darüber hinaus getrieben werden, um die Stationen am laufen zu halten.

Längst wäre es an der Zeit, die Betten zu sperren, für die das Personal fehlt und die Arbeitskräfte stärker, nicht weniger zu schützen und zu entlasten. Dass sich der allgegenwärtige Pflegenotstand durch solches Eingreifen weiter dramatisieren wird, scheint offensichtlich. Besonders ärgerlich für die Pflegenden ist neben den weiteren Verschärfungen im beruflichen Alltag die Tatsache, dass die neu gegründete Regierung genau dieselbe Linie fährt, wie die abgewählte schwarz-rote Koalition.

Die Bundesregierung, die sich in Imagekampagnen gern als Koalition der Veränderung und Neuerung gibt, übernimmt hier den Vorschlag der niedersächsischen (nicht-mehr-sehr-) großen Koalition und weitet ihn noch dazu bis Juni aus.

Damit zeigt die neue Regierung im Bund überraschend schnell ihren mangelnden Willen zur Veränderung. Für Pflegende, Angehörige, aber auch für die breite Bevölkerung, kann dies nur bedeuten, sich noch stärker für bessere Arbeitsbedingungen, bessere Bezahlung und einen angemessenen Schutz für Pflegekräfte einzusetzen.

Denn wovor die Regierung mit aller Kraft die Augen verschließt, ist den Betroffenen längst klar: Eine angemessene Behandlung kann in deutschen Krankenhäusern schon jetzt nicht mehr stattfinden. Durch immer stärker überlastete Pflegekräfte wird sich die Situation allerdings für die Patienten und Bewohner noch weiter verschlechtern. Es gilt daher, sich Möglichkeiten zu suchen, den eigenen Unmut über diese Entscheidungen zu äußern und in wirkungsvollen Protest zu verwandeln.

Unterzeichnet Petitionen, geht (corona-konform) demonstrieren und organisiert euch gewerkschaftlich.

Wir dürfen uns nicht länger gefallen lassen, dass Politiker Entscheidungen treffen, die sich negativ auf unsere Gesundheit auswirken. Denn letztendlich leiden wir alle unter einer solchen Politik!

Niedersachsen erhöht mögliche Wochenarbeitszeit auf 60 Stunden

16.01.22

Ein völlig falsches Signal für die Pflegenden in Niedersachsen ist am Mittwoch von der dortigen Landesregierung versendet worden.

Aufgrund der neuen Corona-Variante „Omikron” und der damit verbundenen absehbaren Dienstausfälle im Gesundheitswesen hat die SPD-CDU Koalition Lockerungen des Arbeitsschutzes beschlossen. Damit sind in Niedersachsen bis zu 60 Stunden Wochenarbeitszeit mindestens bis zum 10. April 2022 möglich.

Seit vielen Jahren ist der Personalmangel im Gesundheitswesen bekannt und wird dennoch deutschlandweit von der Politik hingenommen.

Wie dramatisch die Lage ist, hat die Corona-Pandemie auch für die breite Bevölkerung gezeigt. Viele Pflegekräfte hoffen nun schon eine Weile vergeblich auf eine entsprechende Anpassung der Gehälter an die verantwortungsvolle und wichtige Arbeit, die sie für das ganze Land leisten. Anstatt aber Maßnahmen umzusetzen, welche diese Leistungen würdigen, scheint sich die niedersächsische Regierung weiter darauf zu fokussieren, Löcher zu stopfen. In diesem Fall werden die ohnehin völlig überlasteten Pflegekräfte einmal mehr in die Pflicht genommen. Diese vorgenommene Maßnahme scheint nicht nur massiv ungerecht, sondern wird auch ihre Anforderungen nicht erfüllen. Die wenigen übrigen Pflegekräfte werden auf diese Weise noch häufiger krank werden. Immer mehr Personal verlässt unterdessen nicht nur dort die Krankenhäuser.

Einen Berufswechsel erwägen laut einer deutschlandweiten Umfrage der Berliner Alice-Salomon-Hochschule mittlerweile rund 40%. Immer mehr Pflegende fallen dauerhaft auf Grund von Burn-Out und Depression aus. Zusätzlich wird die Demografie der Pflege in Deutschland dafür sorgen, dass immer mehr Pflegende in Rente gehen. Auch kurzfristig ist ein Vorgehen wie in Niedersachsen massiv kontraproduktiv und wird dem Image der Pflege in Deutschland weiter schaden.

Um die Versorgung der Patient*innen sicherzustellen, ist die einzige Möglichkeit die Sperrung von Krankenhausbetten. Wo kein Personal ist, können keine Patient*innen versorgt werden. Mit einer konsequent durchsetzbaren Bettensperrung könnte wenigstens mit den übrigen offenen Betten eine adäquate Versorgung der Patient*innen gewährleistet werden.

Es ist höchste Zeit, dauerhaft wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation der Pflege zu verbessern und eine krankenhäusliche Versorgung in Deutschland sicherzustellen.

Eine Verdoppelung der Gehälter und konsequent einzuhaltende Pflegepersonalschlüssel wären geeignete Maßnahmen, um dies zu erreichen. Lockerungen des Arbeitsschutzes und die fortschreitende Ausbeutung der Arbeitskräfte sind eindeutig kontraproduktiv.

P.S. Selbstverständlich ist der BochumerBund gegen eine Erhöhung der Arbeitszeit in allen Arbeitsbereichen der Pflege. Diese PM bezieht sich aber auf die neugeschaffene Möglichkeit der Ausweitung der Arbeitszeit in den Bereichen der KRITIS (s.u.)

https://www.ms.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/wegen-erwarteter-personalausfalle-durch-omikron-207527.html

https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/KRITIS-und-regulierte-Unternehmen/Kritische-Infrastrukturen/Sektorspezifische-Infos-fuer-KRITIS-Betreiber/Gesundheit/gesundheit_node.html

Pro und Contra: Kämpfen Pflegende genug?

BERUFSPOLITIK: Lokführer legen den Bahnverkehr still. Behörden machen Amtsstuben dicht.

Und Pflegende? Sind sie zu passiv? Für manche ist das der wahre Grund, dass sich seit Jahren nichts bewegt. Aber es gibt durchaus zukunftsweisende Aufbrüche in der Pflege.

Unser Contra ist erschienen
in der Zeitschrift Altenpflege 10/21, Vincentz Network, Hannover

https://www.vincentz-network.net/dl.php?fid=36cf901e-2ffa-11ec-8a2a-0050568f2241

Kommentar zur Bundesratsinitiative für die Gehaltsverdopplung Intensivpflege

10.12.2021

Schon lange ist eine echte Gehaltserhöhung für Pflegende überfällig. Dass die entsprechende Forderung von der bayrischen CSU kommt, zeigt einmal mehr wie groß die Not ist. Dringend muss der Anreiz für die noch verbleibenden Intensivpflegekräfte gesteigert werden, damit nicht noch mehr von ihnen ihren wichtigen Beruf aufgeben.

Die Gehaltserhöhung soll für Intensivpflegekräfte und PflegerInnen „mit vergleichbaren Belastungen“ zunächst für ein Jahr gelten. Dabei soll laut Landesregierung das Nettogehalt verdoppelt werden, wie „BR“ und „Spiegel“ berichten. Mit der Initiative unterbreitet die bayrische Landesregierung einen Vorschlag für einen Gesetzentwurf, über den dann im Bundestag zeitnah entschieden werden muss.

Neben der Gehaltserhöhung fordert die Initiative außerdem einen erneuten „Corona-Bonus“ für Pflegekräfte, der steuerfrei gezahlt werden soll.

Eine solche Entwicklung ist das, was die Pflege jetzt gebrauchen kann, so Niklas Kemper, Pressesprecher des BochumerBund.

Dennoch stößt die Befristung für ein Jahr genauso bitter auf, wie die schwammige Formulierung der „vergleichbaren Belastung“. Eine derartige Orientierung an der Marktlogik wird keine dauerhafte Verbesserung des Gesundheitswesens nach sich ziehen, sondern nur die Lücken stopfen, die die Pandemie gerade in die Teams der Stationen reißt.

Was es braucht, ist eine radikale Erhöhung aller Gehälter im gesamten Pflegebereich. (Kinder, Langzeit, Krankenhaus, Ambulant…)

Von der ungelernten ambulanten Pflegekraft, bis zu den Fachpflegerinnen und Fachpflegern im Intensivbereich auf Dauer. Das doppelte Nettogehalt, den die Initiative einbringt, ist dabei jedoch ein guter Richtwert.

Bericht von der Vollversammlung

Am 04.12.21 hielt der BochumerBund seine diesjährige digitale Vollversammlung ab.
Die drei wichtigsten Tagesordnungspunkte setzten sich aus der Nachwahl des Bundesvorstands, der Abstimmung über eine neue Satzung und eine thematische Schwerpunktsetzung für das Jahr 2022 zusammen.
Im Bundesvorstand wurden bei Nachwahlen 5 Positionen neu besetzt.

  1. Stellvertretende Bundesvorsitzende: Jana Gromzick, Pflegefachfrau, (31 Jahre, Saarbrücken)
  2. Finanzvorstand: Dirk Malskorn, Altenpfleger (48 Jahre, Oldenburg)
  3. Beisitzerin: Marianna Kazanzew, Gesundheits- und Krankenpflegerin (34, Merzenich)
  4. Beisitzer: Stefan Krotz, Gesundheits- und Krankenpfleger (46, Bonn )
  5. Beisitzer: Uwe Müller, Gesundheits- und Krankenpfleger (32, Wasserburg/Inn)

Die wohl wichtigste Entscheidung dieser Vollversammlung wurde im Rahmen der neuen Satzung getroffen. Eine Mehrheit der online Anwesenden sprach sich dafür aus, künftig auch ungelernte Pflegehilfskräfte als Mitglieder im BochumerBund organisieren zu wollen.
Ungelernte ArbeitnehmerInnen machen einen großen Teil in der stationären Langzeitversorgung aus und können somit jetzt auch auf die Unterstützung des BochumerBund als Pflegegewerkschaft bauen.

Die beiden Vorsitzenden Heide Schneider und Benjamin Jäger, ließen das Jahr 2021 Revue passieren, zogen ein Résumé und stellten die neuen Pläne für das kommende Jahr 2022 vor.

Als wichtige Weichenstellungen für 2022 soll die Gründung von Landes- und Regionalverbänden stehen, sowie eine solide Streikkasse. Außerdem soll ein massiver Mitgliederzuwachs im Fokus stehen, so die beiden Vorstandsvorsitzenden.

Die Vollversammlung hat ebenfalls über die thematischen Schwerpunkte der kommenden 12 Monate abgestimmt. Durch die Festlegung von 10 Positionspapieren wird der BochumerBund in Zukunft seine Themenschwerpunkte auf u.a. folgende Punkte legen:

  • Anstreben eines höheren Personalschlüssels (Nurse-Patient-Ratio) mit einer Mindest- statt Sollbesetzung
  • Pflege darf nicht weiter wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden
  • Wir brauchen einen bundesweiten Tarifvertrag für alle Pflegeberufe.

In diesem Sinne will der BochumetBund heute und in Zukunft gemeinsam, mit ALLEN KollegInnen der beruflichen Pflege, einen Weg gestalten, der Pflege als zukunftsorientiert, lebenswert, wertschätzend und langfristig werden lässt.

Wir sind entschlossen, mit Solidarität und Beharrlichkeit von vielen engagierten KollegInnen dieses Projekt zum Erfolg zu führen!

Lohnerhöhung – wenn nicht jetzt, wann dann?!

Der BochumerBund fordert die Politik dazu auf, sich nicht mehr mit „Kleinlösungen“ zu befassen, sondern das Gesundheitswesen neu zu denken und Pflegende stärker in den Fokus zu rücken.

Pflege ist kein Steuersparmodell

BOCHUM.– „Wenn wieder einmal Steuernachlässe für Pflegende ins Spiel gebracht werden, dann brennt der Busch“ – Darije Lazovic, Beisitzer im Vorstand der Pflegegewerkschaft BochumerBund (BB), betont, dass sich mit derartigen Scheinlösungen der Pflegekräftemangel nicht beheben lassen wird. Wichtiger seien ganz andere Dinge: „Was wir Pflegenden brauchen, sind ein Flächentarifvertrag und bessere Arbeitsbedingungen. Es mangelt nicht an Pflegekräften, weil unsere Berufsgruppe meint, zuviel Steuern zu bezahlen. Sondern weil in unserer beruflichen Wirklichkeit ein indiskutables Lohnniveau auf katastrophale Arbeitsbedingungen trifft.“ Entsprechende Vorschläge seien ebenso wenig zielführend wie ein Herumlaborieren an Symptomen.

Auch die BB-Vorstandsvorsitzende Heide Schneider kann derartigen Vorschlägen nichts abgewinnen: „Die Forderungen nach niedrigeren Steuern für Pflegende hören sich zwar gut an, dürften aber niemanden dazu bewegen, in die Pflege zu gehen oder einen angedachten Ausstieg aus der Pflege zu überdenken.“ Abgesehen davon sollte man sich auf gewährte Steuervorteile nicht verlassen: „In der Finanzpolitik regiert die Haushaltslage, nicht die Bedürfnisse der Pflegenden.“

Lazovic ergänzt: „Die Diskussion um Steuervorteile für unsere Berufsgruppe lenkt davon ab, dass wir bezüglich eines Flächentarifvertrags für die Pflege seit langem auf der Stelle treten.“ Die Dominanz privater Anbieterinnen und Anbieter sowie kirchlicher Trägerinnen und Träger, die mit Sonderrechten wie dem 3. Weg ausgestattet sind, sei für die Pflegenden definitiv kein Segen.

Daher fordert die Pflegegewerkschaft BochumerBund, dass die Privatisierung von Krankenhäusern oder Heimen gestoppt wird. „Stattdessen müssen sich Kommunen und Landkreise wieder verstärkt in der ambulanten, stationären sowie in der Akutversorgung engagieren“, so Heide Schneider. „Schließlich gehört die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Dementsprechend muss der Einfluss privater Dienstleisterinnen und Dienstleister in der Pflege zurückgedrängt werden.“ Dann würden auch die Chancen auf einen Flächentarifvertrag steigen.

Statt immer weiterer Worthülsen lieber bessere Arbeitsbedingungen

BOCHUM. Für die Pflegegewerkschaft BochumerBund ist auch nach der Ablehnung durch die Caritas ein allgemeingültiger Tarifvertrag für die Pflege noch nicht vom Tisch. „Es geht weiterhin darum, in unserer Branche neben den Löhnen auch die Arbeitsbedingungen zu verbessern“, unterstreicht Selma Möllenbeck, Beisitzerin im Vorstand der Pflegegewerkschaft. „Dazu zählen für uns beispielsweise planbare Arbeits- und Ruhezeiten.“ Die Altenpflegerin fordert daher endlich Taten: „Wir professionell Pflegenden sind schließlich nicht erst seit einem Jahr systemrelevant!“

Die Berufsgruppe habe sich in den vergangenen Jahrzehnten genug Worthülsen angehört: „Statt immer weiterer leerer Versprechungen gilt es, die katastrophalen Bedingungen von uns beruflich Pflegenden deutlich zu verbessern.“ Hier allerdings hat die Politik, ihrer Meinung nach, insbesondere in der Pandemie kaum positive Impulse gesetzt – ganz im Gegenteil. „Daher sollten vor allem in diesem Bundestagswahljahr 2021 alle beruflich Pflegenden die Gelegenheit wahrnehmen, die Wahlprogramme der Parteien mit der Realität abzugleichen und hieraus an der Wahlurne Schlüsse zu ziehen“, so ihr Appell.

Aber das allein reiche nicht, unterstreicht die Gewerkschafterin: „Wir Pflegekräfte müssen ein Resümee ziehen und diskutieren, wie es in der Pflege weitergehen soll.“ Es sei an der Zeit, die Weichen für die Zukunft zu stellen: „Alle Pflegenden müssen sich für die Etablierung besserer Arbeitsbedingungen einsetzen. Denn nur in einem förderlichen Arbeitsumfeld können wir eine hohe Pflegequalität zugunsten der uns anvertrauten Menschen sicherstellen.“

BochumerBund-Beisitzerin Selma Möllenbeck bedauert, dass ein allgemeingültiger Tarifvertrag auf den letzten Metern an der Caritas gescheitert ist. Allerdings hält sie deren Befürchtung, dass die Kostenträger in Pflegesatzverhandlungen nur noch den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag und keine höhere Entlohnung mehr anerkennen würden, für nicht unbegründet: „Eine Reform des gesamten Finanzierungssystems in der Pflege hat nur Sinn, wenn sie auch die notwendige finanzielle Wertschätzung unserer gesellschaftlich wichtigen Arbeit umfasst.“ Aber das allein reiche nicht: „Wir brauchen neben einer Reform der Pflegeversicherung einen vollumfassenden Vertrag, der speziell die Bedürfnisse der beruflich Pflegenden in den Mittelpunkt stellt.“

Caritas argumentiert bei Ablehnung von Flächentarifvertrag fadenscheinig

BOCHUM. Die Pflegegewerkschaft BochumerBund (BB) bedauert das Aus für einen Flächentarifvertrag in der Altenpflege. „Mit ihrer Ablehnung hat die Caritas der Pflege großen Schaden zugefügt“, so Benjamin Jäger, Vorstandsvorsitzender des BochumerBundes. „Eine große Chance für die Beschäftigten in der Altenpflege wurde vertan.“ Somit sind die Gewerkschaften weiterhin gezwungen, für jeden einzelnen Träger einen entsprechenden Vertrag abzuschließen.

Auch die BB-Vorstandsvorsitzende Heide Schneider kann die Argumentation des katholischen Wohlfahrtsverbands nicht nachvollziehen: „Die Vorteile eines Flächentarifvertrags überwiegen einzelne bzw. behauptete Nachteile deutlich. Denn nichts spricht dagegen, als Arbeitgebende über tariflich vereinbarte Regelungen hinauszugehen, sodass niemandem Nachteile entstehen.“ Zudem hätte über einzelne von der Caritas vorgebrachte Kritikpunkte bei einem Nachfolgevertrag verhandelt werden können. „Die Argumentation des Wohlfahrtsverbands ist also mehr als fadenscheinig“, findet sie.

Benjamin Jäger verweist auf weitere Nachteile der Caritas-Entscheidung: „Ebenfalls sehr ärgerlich ist aus gewerkschaftlicher Sicht, dass das kirchliche Arbeitsrecht damit zementiert wird.“ So blieben die Rechte der Arbeitnehmenden bei der Caritas und der Diakonie teilweise ausgehebelt. Streiks beispielsweise sind nach wie vor unzulässig: „Das ist absolut anachronistisch. Wir müssen also weiterhin dafür beten, dass die Kirchen arbeitsrechtlich endlich im 21. Jahrhundert ankommen.“

Da es aufgrund der Caritas-Entscheidung keinen Flächentarifvertrag in der Altenpflege geben wird, will der BochumerBund sein Tarifkonzept in möglichst vielen Betrieben durchsetzen. Dieses Konzept beinhaltet u. a. ein Einstiegsgehalt von 3.500 Euro brutto sowie ein attraktives System an Zuschlägen. „Um das von uns geforderte Einstiegsgehalt überhaupt zu erreichen, müssten Pflegekräfte laut Caritas-Tarif dort 15 Jahre beschäftigt sein“, rechnet Benjamin Jäger vor. Mit einem Stundenlohn von mehr als 20 Euro, wie es das BB-Tarifkonzept vorsieht, sei vor allem auch eine gute Rente möglich: „Zur Suppenküche muss damit im Alter niemand.“

Die Pflegegewerkschaft will nun vor dem Hintergrund dieser Entwicklung schwerpunktmäßig die Pflegenden in der ambulanten sowie in der Altenpflege für eine Mitgliedschaft gewinnen. „Spätestens jetzt mit dem Scheitern des Flächentarifvertrags sollten die Kolleginnen und Kollegen erkennen, wie wichtig es ist, sich in einer Gewerkschaft zu organisieren“, so Heide Schneider. „Wir Pflegenden müssen gemeinsam darum kämpfen, dass wir doch noch einen Flächentarifvertrag bekommen – und damit mehr Geld und vor allem mehr Rechte und bessere Arbeitsbedingungen, als uns insbesondere die privaten und kirchlichen Arbeitgebenden zugestehen wollen.“

Flächentarifvertrag für alle Pflegenden/Neues Tarifkonzept

BOCHUM. Die Pflegegewerkschaft BochumerBund (BB) fordert vor dem Hintergrund der aktuellen Tarifrunde für den öffentlichen Dienst branchenbezogene Flächentarife für alle professionell Pflegenden. “Nur so werden Pflegende auch über den Geltungsbereich des TVöD hinaus fair bezahlt und haben eine Chance auf bessere Arbeitsbedingungen”, unterstreicht Hubert Biniak, Vorsitzender der BB-Tarifkommission. „Daher sollten auch private Träger ihrer Verantwortung gegenüber denen gerecht werden, die die Pflegebedürftigen versorgen, und mit dem BochumerBund branchenweite Flächentarife einführen.”

Hierzu hat der BochumerBund ein neues Tarifkonzept entwickelt. Biniak: „Pflege kann nicht jeder – und genau das muss sich auch in einem Tarifvertrag widerspiegeln.” Die Pflegegewerkschaft setzt sich daher zum einen für ein Grundgehalt von 3.500 € ein. „Zum anderen müssen die tatsächlichen Belastungen der Schichtarbeit gerecht abgebildet werden“, so der Vorsitzende der BB-Tarifkommission. Hierbei geht es vor allem um einen fairen Ausgleich gesundheitlicher Risiken und privater Entbehrungen in Form entsprechender Zulagen. Weil Schichtarbeit bislang aber unattraktiv ist, reduzieren immer mehr professionell Pflegende ihre Arbeitszeit und entziehen sich damit dem Schichtsystem vollends. Hubert Biniak unterstreicht: „Hier hilft nur eines: Schichtarbeit in der Pflege muss sich wieder lohnen. Und genau diesem Ziel dient unser Konzept.“

Als weiteren Ansatz zur Lösung der Probleme in der Pflege sieht Biniak einen höheren Personalschlüssel. Hierfür aber müsse zunächst die Arbeit attraktiver gestaltet werden: “Neben einer lukrativeren Vergütung sind bessere Bedingungen sowie die Einstellung von mehr neuen Pflegenden unabdingbar.” Nur so könnten die Arbeitgeberinnen und -geber der fortschreitenden Flucht aus dem Pflegeberuf (“Pflexit”) und der zunehmenden Ökonomisierung des Gesundheitswesens entgegenwirken. “Bislang aber führen Einsparungen in der Pflege dazu, dass sich die Gewinne privater Gesundheitskonzerne erhöhen”, kritisiert Hubert Biniak.

Die überwiegende Zahl der beruflich Pflegenden wird von den Ergebnissen der aktuell stattfindenden Tarifverhandlungen nicht profitieren. Insgesamt sind ca. 4,9 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst tätig. Davon arbeiten lediglich rund 142.000 Beschäftigte in öffentlichen – beispielsweise kommunalen – Gesundheitseinrichtungen. Geht man von ca. 1,7 Millionen erwerbstätigen Pflegekräften insgesamt aus, werden mehr als 1,5 Millionen professionell Pflegende in den aktuellen Tarifverhandlungen nicht bedacht. „Diese große Mehrheit muss aber auch endlich von einem Tarifvertrag profitieren”, fordert der Vorsitzende der BB-Tarifkommission. „Den Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst kommt hierbei eine Vorreiterrolle zu. Wir wünschen ihnen daher erfolgreiche Verhandlungen.“

Dabei stehen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in dieser Tarifrunde allerdings vor einigen Herausforderungen: Die kommunalen Tarifpartner wünschen sich aufgrund der pandemiebedingten finanziellen Probleme eine Nullrunde. „Das mag zwar volkswirtschaftlich nachvollziehbar sein”, räumt Biniak ein. „Jedoch würden durch eine Nullrunde wieder einmal diejenigen enttäuscht, die während der Corona-Pandemie die Gesellschaft vor dem Kollaps bewahren und täglich in der ambulanten und stationären Langzeitpflege sowie in den Krankenhäusern ihre Gesundheit riskieren.” Eine globale Pandemie sollte jedoch nicht der Auslöser für weniger Wertschätzung gegenüber professionell Pflegenden sein – ganz im Gegenteil: „Sie sollte als Impuls für mehr Wertschätzung, eine bessere Vergütung und bessere Arbeitsbedingungen dienen.”